Kunst und Depression. Einfluss von gequälten Künstlern und ihrem Suizid. Jugend und Höhenflug, bis zum Kontrollverlust. Ikarus und die Ära des Tortured Artist. Wenn man alles hat, bleibt einem als Ziel nur noch das Nichts.

  • Tortured Artist: Künstler, der unter persönlichem Leiden und inneren Konflikten leidet, oft begleitet von Drogenkonsum und Selbstmordgedanken bzw. -versuchen, die in manchen Fällen “erfolgreich” sind.

Menschliche Erfahrungen in Werken bündeln. Berühren. Spiegel der Gesellschaft. Ästhetik der Kultur. Geschichten. Blickwinkel. Dramen, Hoffnung und Tragödien. Fremdzerstörung. Selbstzerstörung.

Extravagante Kreativität kommt nicht umsonst, kann die Seele des Kunstschaffenden aufzehren, bis kaum noch etwas von ihr übrig ist, bis auf die Hülle, die erschafft, aber nicht mehr ist. Oder zumindest meint, nicht mehr von Wert zu sein. Wenngleich der Wert des Künstlers für unzählige Jugendliche unbeschreiblich hoch ist. Sie suchen nach Orientierung, finden sie in der Kunst des Tortured Artist. Der gequälte Künstler verkennt seine Verantwortung als Hoffnung und Wegweiser seines Publikums.

Muss der Einfluss von gequälten Künstlern reguliert werden?

Die hellsten Sterne sind allzu oft die tragischsten Figuren. Ihr eindrucksvollster Akt: der Suizid; direkt oder indirekt durch eine Überdosis jener Droge, von der sie bereits jahrelang abhängig waren. Ihr Vermächtnis: Trauer und Ohnmacht bei ihren jugendlichen Anhängern. Wie viel Verantwortung haben die Unternehmen, die sie vermarkten?

Meinungen zum Einfluss von gequälten Künstlern

Meinung A:

  • Profitgier vermarktet Tortured Artists. Es sollte Regularien geben, die verhindern, dass psychisch kranke Menschen einen solchen Einfluss bei Jugendlichen erlangen. “Messias-Effekt“. Millionen von Jugendlichen werden in eine destruktive Richtung gelenkt, indem es cool ist, instabil zu sein. Der Einfluss von gequälten Künstlern sollte reguliert werden.
  • Tortured Artists leiden bereits vor ihrem Erfolg an inneren Konflikten, aber erst ihr Erfolg macht sie suizidal und gefährlich für die Jugend. Der Leistungsdruck führt sie in einen Teufelskreis. Die Kunst, die einst Ablenkung vom Leid war, wird mehr und mehr zum Leidensfaktor. Der gewählte Künstler ist eine Marionette kapitalistischer Interessen. Es sollte Programme geben, die Künstler vor dem mentalen Absturz bewahren. Eine Art Supervision für Künstler, damit sie wissen, wann es zu viel ist.
  • Die Keule der Meinungsfreiheit und künstlerischen Freiheit ist wie ein Freifahrtschein für destruktive Botschaften. Dazu zähle ich auch den Hass gegen das Leben und sich selbst. Als diese Freiheiten ausgesprochen wurden, war die Welt eine andere als heute. In unserem Zeitalter ist der Zugang zu Medien immer nur einen Handgriff oder einen Klick entfernt.
    • Unsere Jugend leidet an mentaler Erschöpfung. Eine zu große Verfügbarkeit von zu vielen Meinungen. Zensur klingt hart, aber eine Anarchie der Meinungen funktioniert auch nicht, wie uns die Statistiken über mentale Gesundheit unserer Jugend aufzeigt.

Meinung B:

  • Eine zerstreute Psyche gehört zur bewegenden Kunst. Suizide und Tragödien sind keine Folge, sondern Ursprung tiefgreifender Kunst.
  • Die Werke von gequälten Künstlern sind Schreie aus der Gesellschaft (Jugend) in die Gesellschaft.
  • Reale Schicksale machen Kunstwerke erst authentisch und identifizierbar.
  • Regulierte Kunst ist weitaus schädlicher für die Gesellschaft als die Tragödien, die damit vermieden werden sollen.
  • Das Leben besteht aus Tragödien. Diejenigen, die das nicht wahrhaben wollen, sollten sich von Werken und Medien fernhalten, die diese Tragödien ausloten.
  • Trittbrettfahrer wird es immer geben. Aber die Tragödie und der Einfluss des gequälten Künstlers sind nicht Ursache für den Selbstmord eines Jugendlichen, höchstens eine gute Gelegenheit. Aber auch ohne Kunst werden gequälte Seelen in unserer Welt immer gute Gelegenheiten finden, wenn sie wirklich gefährdet sind.
  • So oder so, es gibt keine verlässlichen Methoden, um Tragödien wie den Suizid von Tortured Artists und die Handlungen ihrer jugendlichen Anhänger zu verhindern.
  • Ein Branding von Künstlern ist diskriminierend und drängt gequälte Seelen erst recht ins Abseits.

Meinung C:?

Prävention gegen negativen Einfluss von gequälten Künstlern auf Jugendliche

  • Übergreifender Gedanke
    • Es gibt (noch) kein goldenes Rezept für die Handhabung von hochkomplexen Systemen wie der menschlichen Psyche. Sollte es überhaupt eins geben?
  • Psychotherapien (Notiz)
    • Hohe Rückfallquoten
      • Indikator: eine Studie für Verhaltenstherapie bei Angststörungen gibt als kumulative Rückfallquote bis zu 67% an
    • Abhängigmachung durch Therapeuten und Medikamente
      • Verstärkung des Drogenmissbrauchs
  • Lösung (Ansätze)
    • Offenen Diskurs über Tabu-Themen vorleben und fördern.
    • Offene Gespräche zum wesentlichen Teil der Erziehung machen
      • Verhindern, dass Probleme zu toxischen inneren Konflikten werden.
      • Künstliche Intelligenz kann ein diskretes Tool sein. Zusätzlich zu den persönlichen Gesprächen.
        • Psychologisch trainierte Chatbots bieten einen diskreten und stets verfügbaren Gesprächspartner.
    • Jugendliche nicht einfach ihrer emotionalen Isolation überlassen
      • Wo sie die pessimistischen Werke von Tortured Artists bis zum Exzess konsumieren.
        • Und in selbstverachtenden Mustern verharren.
    • Ermutigen, über ihre Ängste und inneren Konflikte sprechen zu können.
      • Sich als Eltern Zeit nehmen
        • Ehrliches Interesse, kein erzwungenes und peinliches Gespräch, das man eigentlich nicht führen möchte.
        • Nichts verbieten. Zuhören, verstehen, stärken.
          • Nicht jeder Fan von düsteren Werken ist gleich gefährdet.
        • Einen differenzierten Konsum vorleben.
          • Das eigene Kind ist i.d.R. der Spiegel des eigenen Charakters.
        • “Sie oder er hat gerade eine schwierige Phase” ist ein schwacher Ansatz.
          • Im Leben zurechtzukommen, ist keine einfache Aufgabe. Jugendliche können jede Unterstützung brauchen, auch wenn sie nicht explizit danach fragen.
            • Over-Caring ist ebenso destruktiv.
        • Eltern ohne Zeit für ihre Kinder entfremden sich und sind ein lebendes Beispiel für das Hamsterrad, das Künstler oft kritisieren.
          • Wenngleich sie durch ihren Erfolg selbst im Hamsterrad stecken und keine Zeit für ihre eigenen Kinder haben.
    • Psychologische Bildung und Verantwortung für gefährdete Jugendliche ernst nehmen
      • Eltern
      • Schule
      • Künstler
      • Insbesondere Institutionen, die die Kunstwerke von Tortured Artists kapitalisieren

Inspiration zum Suizid

Eigenerfahrung. Auch ich fand Trost in den Werken von Tortured Artists. Konsumiere sie heute noch. Differenziert. Auch mich inspirierte der Einfluss von gequälten Künstlern dazu, meinem Leben einen Sinn zu geben, indem ich es beende. Mit ungefähr 10 Jahren dachte ich zum ersten Mal darüber nach, wie es wäre, mich umzubringen. Traumata in der Kindheit, das übliche Drama von gequälten Seelen. Damals dachte ich, ohne es zugeben zu wollen: Wie viel Aufmerksamkeit mein Leiden endlich bekommen würde, wenn sie von meinem Tod erfahren würden. Trug diese Fantasien noch weitere 15 Jahre mit mir herum. Fand glücklicherweise nie eine “gute Gelegenheit”.

Eine (sicherlich unvollständige) Auflistung vom Weg zur mentalen Gesundheit.

  • Erkannte meine destruktiven Muster.
  • Trennte mich von toxischen Menschen und toxischem Input.
  • Begann, Nachrichten und soziale Medien zu meiden.
  • Sah den Wert des Lebens.
  • Entdeckte meine Resilienz. Forderte sie weiter heraus.
  • Setzte meinen Fokus darauf, Neues zu Lernen, statt mich in düsteren Gedanken zu verlieren.
  • Baute mir eine Existenz auf, in der ich nützlich bin. Draußen in der realen Welt.

Pessimismus ist eine Entscheidung, ein Frage des Inputs. Reguliere deinen Input.

Endnotiz:

  • Depression und Angst gehören zu den führenden Ursachen für Krankheit und Behinderung bei Jugendlichen, und Suizid gehört zu den führenden Todesursachen bei Menschen im Alter von 15-19 Jahren. Die Hälfte aller psychischen Gesundheitsstörungen im Erwachsenenalter beginnt im Alter von 14 Jahren, aber die meisten Fälle werden nicht erkannt und bleiben unbehandelt. Quelle: Weltgesundheitsorganisation (WHO)