Eine Winterdepression hat einfache Zutaten und ist nicht unbedingt die Folge von psychischen Problemen. Die Blätter fallen von den Bäumen, die Dunkelheit kündigt sich stetig früher an, Müdigkeit, Trägheit und Kränklichkeit sind ein ständiger Begleiter. Darüber hinaus wird es von Woche zu Woche schwieriger, sich nicht von der allgemeinen Betrübtheit oder gar Aggressivität seiner Mitmenschen anstecken zu lassen. Die unverblümte Selbstdiagnose ist dabei der beste Strategie, um den Winter ohne harte Depression zu meistern. Im Oktober geht es los, wer eine Veränderung an der eigenen Laune wahrnimmt, sollte dazu stehen und gegenlenken, bevor man im Sumpf der eigenen Sinnsuche stecken bleibt. Denn eins ist sicher, der Winter kommt – und mit ihm das zähe Stimmungstief.
Urlaub und Alkohol sind keine Lösungen gegen die Winterdepression
Ein beliebtes Gegenmittel zur Überwindung der depressiven Phase zum Jahresende sind Urlaube. Allerdings lenkt der Urlaub nur kurzzeitig ab und nicht jeder kann über die dunklen Monate komplett in den Süden verreisen. Hinzu kommt der Reisestress, der die schlechte Laune nach der Heimkehr nur verstärkt. Gleiches gilt für Alkohol. Der kleine Rausch am Abend mag über die schwere Stimmung hinweghelfen, sich permanent zu vergiften, führt langfristig nur zum Teufelskreis zwischen Abhängigkeit, Krankheiten, Leistungsabfall und Depression über die eigenen Leiden. Gesund zu sein, bedeutet in erster Linie, sich den Herausforderungen des Lebens stellen zu können.
Urlaub und Alkohol sind Fluchten, die in Maßen vielleicht der Erholung der Seele dienlich sein können; allein sind sie jedoch nur der Tropfen auf dem heißen Stein, von denen man ohnehin nie genug bekommen kann. Wer psychisch stabil und energisch durch den Winter kommen will, braucht ein Konzept, das weder auf den Geldbeutel schlägt noch schädlich ist. Hier ist mein Konzept, das mich jedes Jahr besser durch den Winter kommen lässt. Und mein Winterblues waren immer ein Garant für düsteren Zynismus, der dem Leben gerne mal den Sinn entzieht.
Liste gegen den Winterblues
1. Lese jede freie Minute
Für mich hat sich herausgestellt, dass das permanente Lesen von Geschichte und Geschichten einen enorm positiven Effekt auf meine innere Ruhe und Besonnenheit hat. Packende Charaktere von guten Geschichten sind Metaphern der Menschheit. Und gerade im tristen Winter brauchen wir Menschen, die für uns den Weg leuchten – ob real oder fiktiv
2. Habe einen festen Rhythmus
Ein fester Tagesablauf für eine konstante Stimmung beginnt mit solidem Schlaf. Den erreicht man mit dem Einhalten von festen Uhrzeiten und Ritualen, die den eigenen Schlaf umfassen. Dazu habe ich einen eigenen Post geschrieben, in dem ich die Erkenntnisse von diversen Forschern und sogenannten Schlafcoaches zusammengefasst habe. Am einfachsten ist es hierbei mit smarten Steckdosen zu beginnen, die den Strom zu einer gewissen Uhrzeit abstellen, sodass man sich selbst nicht allzu viel Freiheit für die Bettruhe einräumt. Wir brauchen Grenzen und Verpflichtungen; je mehr wir davon selbst festlegen können, desto besser. Dem Schlaf folgen dann alle anderen Aktivitäten, die dich richtig fühlen lassen und die Beseitigung von Aktivitäten, die dich nicht gut fühlen lassen; z.B. Binge-Eating, Social Media, Nachrichten, negative Menschen.
3. Meide negative Menschen (Stimmungen)
Es ist das alte Dilemma: Irgendwie ist man immer gezwungen, Zeit mit Leuten zu verbringen, die einem eigentlich nicht guttun und die eigenen Stimmungsschwankungen nur verstärken. Vor allem wenn es um die eigene Familie geht. Allerdings lauern negative Menschen nicht nur in der realen Welt, sondern auch auf allen anderen Ebenen wie in der digitalen Welt; hinter Nachrichten, Werbung, Blogs, Videos, Musik oder Applikationen. Diese Menschen müssen dabei nicht einmal schlecht sein, oftmals reicht ihre Aura, die keinen Raum für den eigenen Tatendrang oder ein positives Weltbild zulässt. Am Ende des Tages muss man sich die Frage stellen, inwiefern diese Menschen die eigene Stimmung beeinflussen. Ggf. hindern diese Menschen sogar daran, dass man mental wachsen kann. Je rigoroser man das Pflaster abzieht, desto kürzer die Schmerzphase.
4. Erschaffe Dinge
Der Mensch ist eine erschaffende Kreatur. Was man erschafft, ist sinnvoll, solange es Hingabe, Zeit, Emotionen und Hoffnung vermittelt. Kinder sind Megaprojekte, aber je unabhängiger sie werden, desto größer wird die Anfälligkeit zur Depression, vorwiegend bei der Mutter. Setze nicht alles auf deine Kinder. Bürde ihnen diese Last deiner Selbstverwirklichung nicht auf. Lehre sie stattdessen, Dinge zu erschaffen, indem sie von deinen eigenen Werken inspiriert werden.
5. Sei draußen und bewege dich
Niemand kauft ein Auto, um es ausschließlich fürs Autokino zu nutzen. Aber genau so behandeln viele Menschen ihren Körper. Physische Vernachlässigung in den dunklen nassen Tagen ist ein erstklassiger Weg zur Winterdepression. Gerade dann, wenn man sich am liebsten zuhause verkrümeln will, ist bestens damit beraten, nach draußen zu gehen und sich die Beine zu vertreten. Ideal ist auch hier eine feste Routine, z.B. alle zwei Tage laufen oder nach jedem Essen spazieren gehen.
6. Räume auf
Aufräumen ist eine immens wichtige Tätigkeit, die auch auf Platz eins stehen könnte. Die eigenen Räumlichkeiten aufzuräumen und die Habseligkeiten zu sortieren, verschafft ein sehr motivierendes Gefühl der Kontrolle, was ein effektives Gegengift für den Winterblues ist. Warum diese Ordnung erst beim Frühjahrsputz angegangen werden soll, ist mir nicht ersichtlich. Zu keiner Zeit ist Ordnung über das eigene Leben mehr notwendig als im Winter. Meine Frau und ich haben uns hierbei von Marie Kondo mit transparenten Boxen inspirieren lassen. Sofern man die Dinge nach Themen und Häufigkeit der Nutzung sortiert, findet man immer, wonach man sucht. Wir schlafen zudem auf einem Futon und rollen dieses täglich auf, wogegen auch unser Bettzeug in die Kisten kommt. Wir haben folglich kein Schlafzimmer, aber eine immens effektives Organisationprinzip.
7. Versorge dich gut
Ein Mangel an Sonnenlicht ist auch ein Mangel an Vitamin D3. Dennoch muss dieser Mangel nicht unbedingt mit der Jahreszeit zusammenhängen, sondern eher mit dem überwiegenden Aufenthalt im Haus. Oben habe ich bereits die Notwendigkeit von Aktivitäten im Draußen erwähnt, trotz allem sind ein paar Stunden draußen kein Garant für einen soliden Vitamin D3-Haushalt. Diesen würde ich immer noch mit einer Zugabe aufstocken. Wie oft man Vitamin D3 zu sich nimmt, sei einem selbst überlassen; manche nehmen täglich eine Dosis, die eigentlich für 20 Tage reichen soll. Schädlich sind hohe Dosen Vitamin D3 jedenfalls nicht, solange man sie mit Vitamin K2 einnimmt – das verhindert die Verkalkung der Arterien. Und wenn wir schon dabei sind, rate ich noch zu Maca und Magnesium als Supplement und täglich frischem Gemüse, das dampfgegart wurde.
Ob man wie ich zum Veganismus übergehen will, weil man glaubt, getötetes Tier im eigenen Organismus wirkt sich negativ auf die eigene Stimmung aus, der sollte auch an Zink, Eisen und Vitamin Komplex denken. Aber auch hier gilt eine lockere Handhabe. In einen Ernährungswahn zu verfallen, sorgt auch nur für Burnout und schlechte Laune. Am Ende ist der Nährstoffmangel von Veganern mit vielen Mythen bespickt. Wer mehr wissen will, liest mal “Finding Ultra” von Rich Roll.
Wer erfolgreich an der Zuversicht für die Zukunft arbeitet und das eigene Leben so lang wie möglich jung halten will, der kann sich auch mal intensiver mit dem Thema Anti-Aging befassen. Hier ist die Forschung von Professor David Sullivan sehr aufschlussreich und lebensbejahend. Die von ihm angepriesenen Supplements für Zellregeneration, sind Resveratrol, Metforman, NMN, Vitamin D3/K2 und, ja, Aspirin. Aufgrund von ausführlichen Studien und guter Erhältlichkeit in Deutschland nehme ich täglich die Kombi Resveratrol, Triagen, Maca, gelegentlich Vitamin D3/K2 und Aspirin, dafür kein NMN oder Metforman. Es muss noch alles im Rahmen bleiben. Zusätzlich konsumiere ich für Konzentrations- und Entspannungsphasen Nikotinkaugummis von Nicorette, denn am Ende sind nicht alle Raucher, sondern viele von ihnen auch gute Denker, die eigentlich nur abhängig vom konzentrationsfördernden Nikotin sind. Und Fokus vermeidet den Winterblues, indem man wichtigere Dinge nachdenkt als darüber wie trist doch alles ist. Außerdem braucht man irgendein Laster.
8. Iss nicht zu viel
Essen ist ein zweischneidiges Schwert. Es kann Genuss und gute Stimmung verursachen, gleichzeitig kann die Nahrungsaufnahme aber auch schnell nach hinten losgehen, wenn man über den Sättigungspunkt hinaus isst. Da hilft es, langsam zu essen, damit man den Punkt auch bemerkt, bevor es zu spät ist. Unwohlsein durch Völlegefühl ist nicht gerade förderlich im Kampf gegen die Winterdepression. Auch zuckerreiche Lebensmittel, und dazu gehört auch Obst, insbesondere Trauben, sollte man mit Vorsicht genießen. Wenn das Blut zur Verdauung in den Magen wandert, dann setzt die Müdigkeit ein, die uns an der stimmungsaufhellenden Produktivität hindert.
Es ist ein Ammenmärchen, das man keine Energie hat, weil man zu wenig gegessen hat. Eher verfügt man mit einem soliden Intervallfasten über mehr Energie als mit einem vollgeschlagenen Bauch. Zudem erreicht unsere Zellen die Energie aus einer Mahlzeit ohnehin erst in den 24 Stunden nach der Nahrungszufuhr und nicht sofort. Es sei denn man isst Zucker und verursacht neben dem kurzen Aufputschen einen Bluthochdruck, der folglich doch wieder zu Müdigkeit und Trägheit führt. Gute Laune ist eine Frage der Disziplin, die beim Essen ganz besonders gefragt ist.
9. Starte mit einer kalten Dusche
Ja, sehr unangenehm, aber auch sehr belebend und stimmungsförderlich ist die Dusche am Morgen. Sie muss nicht lang sein, aber der Körper sollte einmal komplett geschockt werden; das vertreibt die Trägheit und Müdigkeit kurzerhand aus dem Körper. Abends bewirkt sie dagegen eine Entspannung, perfekt, um die Abendruhe einzuleiten. Das kalte Duschen gehört seit Jahren zu meiner eisernen Routine und mittlerweile verzichte ich ganzjährig auf eine heiße Dusche. Dadurch sind die wenigen heißen Duschen eine große Besonderheit, mit der ich mich an manchen Wintertagen belohne.
10. Gib Neid keinen Raum
Das Leben im Wohlstand mit seiner obligatorischen Rente als Walhalla suggeriert, dass man es irgendwann geschafft hat. Allerdings müssen viele Rentner feststellen, dass sie die Arbeit nicht nur für ihr Einkommen brauchten; vielmehr auch für die Struktur, die sie ihnen gab. Was folgt ist eine unsanfter Sturz in die nächste Winterdepression. Wir Menschen brauchen es, gebraucht zu werden. Werden wir es nicht mehr, so verkümmern wir innerlich.
Es bietet sich hier an, nicht immer daran zu denken, was man nicht hat, wie zum Beispiel, die Freiheit, auch in der Woche einfach im Bett liegen zu bleiben; das Gehalt seines Kollegen; das Auto des Nachbarn; das Haus des Schwagers. Stattdessen hat es viel größeren Mehrwert, sich darauf zu besinnen, was man hat. Gesundheit, Zugang zu Wissen, Struktur, Potenzial, Interesse, Liebe. Die Frage ist jedoch, ob man die Reichhaltigkeit des eigenen Lebens erkennt und nutzt, um weiter nach vorne zu kommen, oder nur mit neidvollen Augen durch die Welt geht, um sich in negativen Gefühlen zu verlieren und damit stehen zu bleiben.
Der letzte Punkt schließt damit an den ersten an. Bilde dich unentwegt, indem du liest und liest und liest. Lasse dich von deinen Interesse an den Geschichten und dem Wissen der Menschheit leiten. Finde deinen Platz, indem du dich frei von Neid für das Leben anderer Menschen interessierst – ob real oder fiktiv, ob tot oder lebend.
Selbsthilfe gegen die saisonale Depression
Wir sollten uns darauf einigen, dass keine Liste der Welt ein Allheilmittel gegen den Winterblues sein kann. Allerdings ist man umso gestrafter, wenn man sich an gar keine Regeln hält und denkt, mehr Freiheit führt zu mehr Glücklichkeit. So einfach ist es nicht. Es verhält sich hier wie beim Essen – die Menge ist entscheidend. Für mich habe ich erkannt, dass gerade Restriktionen und Verpflichtungen für eine nachhaltig stabile Stimmungslage sorgen, solange diese Verbote sinnvoll gewählt wurden. Ein Mangel, der am Ende eine kleine Belohnung beinhaltet, setzt mehr Endorphine frei als ständiger Überfluss.
Zu viel Zeit, zu viel Essen, zu viel Vergnügen; wer mental obenauf bleiben will, sollte sich vor diesen Begierden hüten. Die Todsünden der Bibel beinhalten auch für atheistische Menschen eine nicht von der Hand zu weisende Lebenserfahrung. Auf Überfluss folgt Verderben. Es gibt nichts geschenkt, alles kommt mit Konsequenzen. Geld macht nicht glücklich, aber vieles einfacher. Das sollte nicht dazu führen, dass man sich ein einfaches Leben erkauft. Am Ende droht Enttäuschung und Orientierungslosigkeit, Depression.
Burnout ist kein Mangel an Antrieb. Burn-Out ist ein Mangel an Sinn. Selbstrestriktion, Ertüchtigung und gnadenlose Ehrlichkeit zu sich selbst machen die Frage nach dem eigenen Sinn obsolet. Vielmehr ist die Frage nach Sinn eine unlösbare Formel, da sie nur ein unendlich großes Ergebnis ergibt. Wir überlasten uns mit dieser Grübelei. Sinn ergibt sich mit den Taten, die nicht nur einem selbst, sondern anderen Menschen dienlich sind. Sinn ist, was uns richtig fühlen lässt. Und nichts kann uns das Gefühl von Richtigkeit mehr verschaffen als unsere Mitmenschen, die sich durch uns gut und richtig fühlen.
Es kommen noch viele dunkle Jahreszeiten und sicherlich werden empfindsame Menschen nie völlig unbekümmert durch sie hindurchkommen. Doch ein stabiles Gerüst an Routinen und Regeln ist die Landkarte, die einen durch den Dickicht der Gefühlswelten unserer verschiedenen Persönlichkeiten führt. Wie es mit diesen vielen Ichs, die auf sich hat, der kann sich einmal an “Der Vierte Weg” von G.I. Gurdjieff wagen. Sich einfach der inneren Tristesse hinzugeben, ist dagegen eine Einladung für Desaster.
Wir sind die Architekten unseres eigenen Lebens und einige von uns auch die Architekten ihrer Kinder. Wir waren vor ihnen hier und führen sie ans Leben heran, stärken sie für die Herausforderungen des Lebens. Gelegentliche Stimmungsschwankungen sind normal und gehören zur gesunden Entwicklung eines Menschenlebens dazu. Ständiger Positivismus ist auch nur ein Schauspiel vor sich selbst. Es ist nicht alles gut, vieles muss verbessert werden. Nichts ist fertig, alles obliegt ständiger Veränderung. Eine perfekte Welt wird es nie geben; wer also propagiert, man sei gut genug so wie man ist, der propagiert Resignation und übertüncht Selbstzweifel mit Erhabenheit; ebenfalls eine Todsünde. Unnachgiebig an der eigenen Verbesserung zu arbeiten, ist dagegen das wichtigste Erbe, das man seinen Kindern und Mitmenschen hinterlassen kann. Hoffnung.