Wir leben seit langem in einer Pandemie der Marken, Nachrichten, Botschaften und Berühmtheiten. Das einzige, was einen in diesem alltäglichen Informationsrausch emotionale und psychische Stabilität verschafft, ist Input-Schutz.
Ein rigoroser Input-Schutz ist schon seit einigen Jahren Kern meiner Lebensgestaltung. Dabei dachte ich, den Begriff im Kontext des Medienkonsums selbst irgendwo aufgeschnappt zu haben. Allerdings sagte mir meine Frau, dass es den Begriff gar nicht gibt. Das macht mich wohl zum Urheber des Wortes Input-Schutz.
Was ist Input-Schutz?
Input Schutz ist im Grunde die Firewall deiner Aufmerksamkeit. Feste Regeln, wie man die auf einen einhagelnden Informationen verarbeitet oder blockiert, sorgen dafür, dass man den Fokus auf eine recht relevante Sache hält: sein eigenes Leben.
In der Ruhe liegt die Kraft. Wer daran glaubt, muss erkennen, dass der Mensch ziemlich schwach geworden ist. Er braucht ständig Reize, um sich lebendig zu fühlen. Entzieht man ihm diese, rutscht er in ein Loch der Selbstzweifel oder gar Depression. Das ist toxische Informationssucht.
Mein Input-Schutz geht so weit, dass ich komplett ohne News lebe. Auch die Pandemie habe ich komplett ohne Nachrichten überlebt. Wo Zukunftsangst im Trend war, baute ich weiter meine Unternehmen in Symbiose mit meinen inneren Frieden aus. Ist das Erfolg? Jedenfalls habe ich neben meinem Beruf als Handwerker genug Muße für solche Essays. Und als Handwerker ist man ständig draußen unter Menschen und Marken.
In großen Tech-Konzernen werden die Kreativen mit eigenen Abteilungen und Input-Schutz vom Alltagsgeschäft abgeschirmt, damit ihre Kreativität nicht gestört wird. Diese Trennung versteht die Notwendigkeit von Input-Schutz, untergräbt aber den Umstand, dass auch das Accounting oder die Rechtsabteilung fokussierter arbeiten, wenn sie nicht ständig von den News des Tages bombardiert werden. Jeder ist auf seine eigene Art kreativ und diese fragile Superpower muss geschützt werden.
Macht Nachrichten-Abstinenz gleichgültig?
Bin ich ein schlechterer Mensch, wenn ich nicht sofort auf den Samariter-Zug für die Ukraine aufspringe und stattdessen weiter Menschen in Afrika und auf Haiti unterstütze, statt ihnen die Mittel zu entziehen, weil nun woanders die Welt gerettet werden muss?
Auf mich wirkt es so, als würden jene Menschen in Wohlstandsländern am lautesten nach Solidarität und Spenden rufen, sobald die News raus sind, die ihr schlechtes Gewissen verschieben müssen. Durch die Nachrichten werden sie daran erinnert, dass sie länger nichts für andere Menschen getan haben, obwohl sie ständig im Wohlstand leben. Plötzlich holen sie das auf, indem Sie Vorzeige-Hinzeiger werden.
An meinem Input-Schutz prallen sie jedoch ab. Ich habe selbst recherchiert, welche Länder am meisten Aufmerksamkeit brauchen und einen langfristigen Plan aufgesetzt, statt Affektspenden zu praktizieren.
Wer an der Welt interessiert ist, lebt nie hinterm Mond. Allerdings liest der Interessierte, wenn er es für richtig hält, weil er sich in diesem Moment für ein gewisses Thema interessiert. Nicht nur dann, wenn die Medien nach Aufmerksamkeit schreien, weil sie ihren Umsatz sichern müssen. Wer immer sofort etwas kauft, weil es gerade im Angebot ist, zahlt ohnehin mehr. Vor allem Lebenszeit.
Idiotie ist, freie Zeit nicht als Wert zu behandeln
Wie oft ziehen Sparfüchse wegen nur einem Angebot los, ohne Zeit und latente Kosten für den einen Kauf in das Angebot einzukalkulieren. Wer kennt nicht den wahnhaften Günstigtanker, der jeden Umweg in Kauf nimmt, nur um ein paar Cent auf den Liter zu sparen. Dass er dafür seine Zeit opfert als wäre sie ein nachwachsender Rohstoff genießt hierbei keine Relevanz.
Wie beim Sparkauf verhält es sich mit den Medien, die täglich konsumiert werden. Vielleicht zahlen wir für gewisse Nachrichten nichts in Geld, dafür aber in Zeit, die wir wiederum mit unserer Arbeitszeit finanzieren müssen. Wodurch man doch wieder den Konsum von Medien, die unseren wertvollen Fokus blockieren, mit Geld bezahlt. “Zeit ist Geld” lautet das wohl am meisten missverstandene Sprichwort unserer Zeit. Geld ist bloß der Gegenwert unserer Zeit. Je mehr Wert unser Fokus für den Markt bzw. die Menschen besitzt, desto mehr ist unsere Zeit wert. Wer seine freie Zeit also nicht nutzt, um seinen Marktwert zu steigern, tritt auf der Stelle und wird von der Konkurrenz abgehängt. “Man lernt nie aus” ist die Faustformel für Wachstum – innerlich und auf dem Bankkonto. Unser Fokus im Jetzt bestimmt somit, was unsere Zeit in der Zukunft wert ist. Wer seine wertvolle Lebenszeit an den falschen Input verschenkt, ist ein schlechter Investor.
Folgende Fragestellung ist wesentlich, um seinen eigenen Fokus und damit Wert vor dem Diebstahl der Medien zu schützen:
Steigert mein jetziger Input meinen Wert als Mensch in Zukunft?
Wenn ja, sollte man bewerten, ob dieser Input den eigenen Wert bzw. Fähigkeiten (Wissen, das man umsetzen kann) eine kurzfristige, mittelfristige oder langfristige Wertsteigerung impliziert. Entsprechend ist die Reihenfolge des Inputs zu wählen. Wenn du z.B. in finanzieller Not steckst, hilft dir das YouTube-Video über die besten Anlagestrategien nicht, kurzfristig deine Situation zu ändern. Du solltest stattdessen nach Input über die besten Verkäufer der Welt suchen, die dich motivieren, deine jetzigen Fähigkeiten verkaufen zu können. Ob als Bewerber für einen Job – wobei du bei festen Verträgen dort erst im Folgemonat Geld bekommst -, oder als Hustler, der/die hier und jetzt Ausschau nach Werten hält, die man schnell verkaufen kann.
Die Zeit, die du an irrelevante Informationen verschenkst, ist die Zeit, welche die Urheber dieser Informationen gewinnen. Sie leben somit deine Lebenszeit. Input-Schutz lässt dich deinen Fokus vor den Zugriffen schützen, die aus deiner Aufmerksamkeit Kapital schlagen.
Die Regeln für einen soliden Input-Schutz:
- Schalte alle News- und Mitteilungs-Funktionen an deinem Smartphone und an sonstigen Geräten aus und entdecke die Kraft des Flugmodus’. Vor allem 2-3 Stunden bevor du Schlafen willst. Ansonsten gefährdest du nur deinen konstruktiven Schlaf.
- Meide Telefonate, deren Anliegen du nicht kennst. Da draußen gibt es zu viele Menschen, die einfach nur quatschen wollen – auf Kosten deiner Lebens- und Lernzeit. Wenn du ein guter Zuhörer bist, dann setze einen Preis drauf. Warum solltest du eine solch wertvolle Fähigkeit verschenken? Aus Freundschaft? Frage dich vorher, ob es sich wirklich um eine Freundschaft mit Geben und Nehmen handelt, oder um einen Einbahnstraßen-Kontakt – d.h. dass nur die andere Person von deiner Gutmütigkeit profitiert, aber nichts zurückgibt.
- Spring nicht auf jede Panikmache in deinem Umfeld auf. Lasse Schlagzeilen zwei bis vier Wochen Reifen. Sollten Sie dann noch immer aktuell sein, informiere sich umfassend über das Thema und schätze die Thematik aufgrund von rationalen Fakten ein. Sollte in deinem Umfeld wieder jemand die Paniktrommel rühren, kannst du bestens informiert und idealerweise mit Humor argumentieren. Sofern das Argumentieren mit diesen Personen die Frage “Was bringt es, diese Person aufzuklären?” irgendeinen weiterführenden Sinn impliziert. Viele Menschen wollen intrinsisch in ständiger Angst leben, da es das einzige ist, das sie kennen und ihnen paradoxerweise Sicherheit gibt, indem es ihr negatives Weltbild aufrecht erhält.
- Meide Social Media, um “informiert” zu bleiben. Die Toxizität von Social Media ist allgemein bekannt und sehr offensichtlich. Social Media wurde wie alles, was man im Casino spielen kann, zur Abhängigkeit programmiert. Hier gilt es, besonderen Input-Schutz zu betreiben. Wenn du darüber Marketing betreibst, dann reduziere die Zeit dort auf das essenzielle Minimum und gehe anschließend konsequent raus. Verwechsle nicht Arbeit mit Prokrastination.
- Sei belesen! Indem du viel liest – vor allem mit geschichtlichen und soziokulturellen Erklärungen – bildest du eine starke Grundlage für alle Informationen, die auf dich einströmen – ob gewollt oder durch dein Umfeld. Je besser du Nachrichten einordnen kannst, desto weniger belastend wirken sie. In einer Welt, in der jederzeit irgendwo Scheiße passiert, muss man als Mensch mit Empathie oder Hypersensibilität klinisch vorgehen, um nicht depressiv oder gar suizidal zu werden. Das führt aber nicht zwangsläufig zur Gleichgültigkeit. Anderen zu helfen, bedeutet vor allem, dass man sich selbst helfen kann. Wenn jemand im Wasser ertrinkt, bringt es nichts, wenn man zur Hilfe ins Wasser springt, aber selbst nicht schwimmen kann. Das ist schlichtweg Selbstmord. Aber in einer solchen Welt leben wir. Coaches helfen Bedürftigen bei Themen, die sie selbst nicht in den Griff kriegen. “Fake it till you make it” war gestern – heute kann man faken, ohne es jemals maken zu müssen. Falle nicht auf diesen Scharlatanismus herein. Hilf dir selbst, indem du “weniger ist mehr” praktizierst.
- Stelle starke moralische Grundsätze und Werte auf. Diese schützen dich vor Abstumpfung und Hedonismus als Flucht vor der Scheiße in der Welt. Nicht alle Menschen sind schlecht. Oftmals geht es ihnen nur zu gut, sodass sie kein reales Mitgefühl verspüren und miese Mitmenschen sind, ohne es zu merken. Leider stechen die schlechten Menschen immer heraus. Dank der Medien. Werte und Moral sind der Kompass, um einen Unterschied zu machen. Input-Schutz bewahrt diesen fragilen Kompass vorm Magneten der Hoffnungslosigkeit.
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